Nachtfahrt durch den Ärmelkanal

Fécamp nach Nieuwpoort (148 Meilen)

Der Morgen begrüßt uns wie vorhergesagt mit tiefhängenden Wolken, Regen und stürmischen Böen. Wir machen das Beste daraus und drehen uns noch einmal in der Koje um, um endlich mal wieder auszuschlafen.

Im Laufe des Vormittags hört der Regen auf. Nach dem obligatorischen Gang zur Boulangerie geniessen wir ein ausgiebiges Frühstück und nutzen den Rest des Tages für ein paar notwendige Reparaturen und einen Besuch im Lebensmittelmarkt. Gegen Nachmittag klart es immer weiter auf, so daß wir beschließen, kurz nach dem Abendniedrigwasser auszulaufen. Bis dahin haben wir aber noch ein wenig Zeit, um an der Strandpromenade entlangzubummeln.

Fecamp ist ein nettes Örtchen mit einigen Sehenswürdigkeiten. Es liegt in einem Einschnitt der steilen Kreidefelsen der sogenannten Alabasterküste, die den Kreidefelsen in Dover in nichts nachstehen. Ein Spaziergang über die Klippen wäre bestimmt toll. Leider haben wir dafür keine Zeit mehr.

Wir starten um 20 Uhr kurz nach Niedrigwasser, um den Flutstrom in Richtung Osten mitzunehmen. Der Wind bläst noch mit 5-6 Windstäken aus NO, also gegenan. Es ist aber eine Drehung auf SSO angesagt, die hoffentlich auch so kommt,  damit wir nicht die ganze Nacht kreuzen müssen.

Wir setzen das Großsegel schon im Hafenbecken, vorsichtshalber mit einem Reff. In der Hafenausfahrt steht immer eine relativ steile Dünung und das Großsegel soll uns den notwendigen Schub geben, um ohne Probleme durch die Wellen zu kommen.

Draussen erwartet uns ein Rodeoritt gegen Wind und Welle. Mann oh Mann, ob wir das die ganze Nacht durchhalten? Trinity schlägt sich wacker. Die schmalen Schwimmer tauchen durch die Wellen, aber es ist doch teilweise ein heftiges auf und ab. Nach der zweiten Wende beruhigen sich die Bewegungen etwas. Vielleicht liegt es daran, dass der Wind wie vorhergesagt endlich Richtung Süd dreht. Ausserdem nimmt die Flutströmung zu. Die unangenehme Stampferei hört jedenfalls auf.

Die Jungs strecken sich unter Deck auf den Salonbänken aus. Ich halte derweil im Cockpit die Stellung zusammen mit dem Autopiloten. Der macht wieder einen super Job und hält das Boot sauber auf dem eingestellten Kurs am Wind. So geht es in die Dunkelheit. Später in der Nacht leistet Jakob mir Gesellschaft im Cockpit. Zu zweit ist es in der Dunkelheit doch angenehmer.

In der Nacht kommen wir zweimal Fischkuttern in die Quere, die offensichtlich gerade dabei sind, Netze auszubringen oder einzuholen. Das AIS ist dabei eine große Hilfe. Die Boote sind zwar schon von weitem zu sehen, da sie hell erleuchtet sind wie Christbäume. Durch die alles überstrahlenden grellen Scheinwerfer sind aber keinerlei Navigationsleuchten zu sehen, so daß es schwierig ist, den Kurs der Boote auszumachen. Auf dem AIS ist aber der aktuelle Kurs und eine mögliche Kollisionsgefahr gut zu erkennen.

Wir haben allerdings keine große Lust, etwas von unserer schwer erkämpften Höhe zu verschenken und behalten unseren Kurs zunächst bei. Als eins der Boote uns schließlich wie zur Warnung mit einem seiner unglaublichen Scheinwerfer auf’s Korn nimmt, drehen wir doch etwas ab.

Auf dem Weg nach Osten nähern wir uns immer mehr dem Verkehrstrennungsgebiet, der Autobahn für die Großschiffahrt, die auf dem Weg durch die Meerenge von Calais ist. Man kann in der Dunkelheit deutlich die Kette an Schiffen sehen, die dort entlangfahren.  Wir müssen südlich davon bleiben.  An der Engstelle des Kanals zwischen Dover und Calais bleibt jedoch nur wenig Platz.

Gegen 6:00 Uhr geht die Sonne auf und wird von mir und Jakob freudig begrüsst. Wir nutzen die wärmenden Strahlen gleich um einige Kleidungsstücke, die nach unserer Ausfahrt aus Fècamp nass geworden sind zu trocknen. Ausserdem wird erstmal Kaffee aufgesetzt. Den können wir gut gebrauchen. Wir haben ca. 70 gesegelte Meilen hinter uns. Noch 30sm bis Calais.

Die Sonne ist wieder da!

Erstmal Wäsche trocknen

 

Irgendwie haben wir bis jetzt Glück mit dem Wind. Wir müssen noch einmal wenden, um der Untiefe Vergoyer auszuweichen, können dann aber mit leicht gefierten Segeln das Cap Gris Nez nördlich von Boulogne sur Mer anliegen. Es ist 10:30 als wir das Kap runden. Wir haben die engste Stelle des Kanals erreicht und können deutlich die Kreidefelsen von Dover sehen. Sie sind von hier nur 17 Seemeilen entfernt. Wir können auch die Kanalfähren sehen, die hier mit Hochgeschwindigkeit die Meerenge queren. Calais liegt 5 Seemeilen vor uns. Mal sehen, wie wir zwischen den Fähren und Frachtschiffen durch das Fahrwasser in der Einfahrt nach Calais kommen.

Leider verlässt uns hier erstmal das Glück. Hinter dem Kap schläft der Wind nicht nur ein, sondern dreht auch noch zurück auf Nordost. Also Motor an, wir wollen vorwärts kommen. Mittlerweile hat leider auch die Ebbe eingesetzt und das Wasser aus der Deutschen Bucht strömt mit 2Knoten durch die Meerenge. Wir schleichen mit nur noch 3 Knoten über Grund Richtung Calais. Die Strecke zieht sich. Mit dieser geringen Geschwindgkeit muß ich auch noch das Fahrwasser queren. Gegen 13:00 liegen wir auf der Lauer, um eine günstige Lücke abzupassen. Vollgas und los. Nach einer quälend langen halben Stunde bin ich auf der anderen Seite. Die nächste Fähre verlässt schon wieder den Hafen und schwenkt hinter uns ins Fahrwasser Richtung Dover.

Noch ca 40 Meilen bis Nieuwpoort unserem Ziel für heute in Belgien. Wir denken über einen Plan B nach.  Diese Strecke wollen wir wirklich nicht motoren! Vielleicht doch nach Dünkirchen?

Doch der Wind hat schließlich ein Einsehen. Um 14:00 können wir den Motor ausmachen und hoch am Wind auf Stb Bug die Küste Richtung Dünkirchen entlangsegeln. Die Landschaft hat sich mittlerweile geändert. In Fecamp hatten wir eine weithin sichtbare weiss leuchtende Steilküste. Hier ist der Küstenstreifen nur anhand seiner Bebauung zu erkennen. Diese ist aber umso ausgeprägter. Die Hafenanlagen und Hochhäuser von Dünkirchen sind weithin sichtbar. Wie eine Insel in der Wasserwüste. Die Alabasterküste der Normandie hat mir da deutlich besser gefallen.

So wie die Küste, ist auch das Wasser hier sehr flach. Es gibt Untiefen mit weniger als 1 Meter Wassertiefe. Ich versuche am Plotter die optimalen Wendepunkte für unseren Kreuzkurs zu ermitteln, um den Flachstellen zu entgehen. Zunächst können wir der Fahrrinne nach Dünkirchen folgen. Auch hier herrscht reger Verkehr und ich versuche ausserhalb des Tonnenstrichs zu bleiben. Es ist doch beeindruckend, mit welcher Geschwindigkeit die Fähren anrauschen. Wir machen jedoch auch gute 8 Knoten Fahrt.  Zusätzlich schiebt der Flutstrom, der mittlerweile eingesetzt hat.

Huch, sind die schnell

Puh, wir sind vorbei!

Nach einem Kreuzschlag von der Küste weg können wir an den Flachstellen vorbei und außerhalb der Fahrwasser und Schifffahrtsrouten Nieuwpoort anliegen. Gegen 19:30 bergen wir vor der Einfahrt zum Hafen die Segel. Der Hafen liegt ca. 1 sm im Landesinneren und ist durch einen Kanal zu erreichen.

Kurz vor 20:00 Uhr fast 24 Stunden nach unserem Start in Fecamp machen wir am Anleger des Watersportkring van de Luchtmacht Nieuwpoort fest.

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