Angekommen!

Von Norddeich nach Bremerhaven (19.8.2017, 90Nm)

Am 19.8. scheint sich ein geeignetes Wetterfenster für die letzte Etappe nach Bremerhaven aufzutun. Bis Freitagabend soll ein Sturmtief durchziehen.  Für Samstag Vormittag ist auf den Inseln Rückseitenwetter mit 6 Windstärken aus West angesagt. Weiter draussen auf der Nordsee bei Helgoland soll es noch mit bis zu 7 Windstärken wehen, aber da wollen wir ja nicht hin. Mit achterlichem Wind sollten die 90 Seemeilen bei den Bedingungen machbar sein. Jakob und ich wollen es versuchen.

Freitag Abend geht’s wieder mit dem Zug nach Norddeich. Dort empfängt uns strömender Regen. Nach dem kurzen Weg vom Bahnof zum Hafen sind wir völlig durchnässt. Kein schöner Empfang!

In der Nacht stürmt es heftig. Auch in der Früh weht es noch sehr stark und wir sind unsicher, ob wir wirklich losfahren sollen. Aber im Laufe des Vormittags nimmt der Wind wie vorhergesagt weiter ab, so daß wir uns entschließen zu starten. Um 11:00 verlassen wir den Hafen von Norddeich. Nur mit dem Vorsegel düsen wir mit 8 Knoten durch das Fahrwasser. Wir wollen es locker angehen und lassen das Groß eingepackt. Um 11:45 passieren wir schon die Westspitze von Norderney. Um 12:00 haben wir das Dove Fahrwasser, welches dicht unter Land um Norderney Richtung Osten herumführt, verlassen und  können abfallen.  Nur unter Fock surft Trinity mit bis zu 9 Knoten die Wellen ab. Die Sonne scheint, wir genießen die Fahrt und haken die Ansteuerungstonnen zu den Seegatten zwischen den Inseln ab, die wir passieren. Accumer EE, Otzumer Balje, Harle – Lustige Namen!

Raumschotbriese bei Sonnenschein

Bagger auf dem Weg durch die Accumer Ee zwischen Baltrum und Langeoog

Ansteuerungstonne Otzumer Balje zwischen Langeoog und Spiekeroog

Wangerooge

Ansteuerung Harle zwischen Wangerooge und Spiekerooge

Schon bald kommen die Leuchttürme Roter Sand und Alte Weser in Sicht, die weithin sichtbar die Einfahrt in die Weserfahrwasser und in die Jade kennzeichnen. Es ist 16:00 Uhr. Die Sonne ist mittlerweile hinter den Wolken verschwunden und es scheint sich aus Westen eine Front zu nähern. Wir können die Wolkentürme deutlich sehen. Es sind noch gut 40 Seemeilen bis Bremerhaven.

Südwestlich des Windparks Nordergründe erwischt uns die Böenwalze der Front mit 32 Knoten Wind und Regenschauern aus Südwest. Ohne Großsegel und mit stark gereffter Fock machen wir über 10 Knoten Fahrt. Die Sicht beträgt nur noch wenige hundert Meter. Plötzlich tauchen vor uns die Umrisse eines Frachters aus dem Dunst auf. Uuups, wir sind auf die falsche Fahrwasserseite geraten. Warum hat das AIS uns nicht gewarnt? Keine Zeit darüber nachzudenken, das klären wir später. Wir müssen trotz des Windes hart anluven um Richtung Westen auf unsere Fahrwasserseite zurückzukommen. Doch bei dem Speed sind wir zum Glück schnell wieder aus der Gefahrenzone raus.

Nach 45 Minuten ist der Spuk auch schon wieder vorbei. Der Wind und die See beruhigen sich. Die Sonne zeigt sich am Horizont. Ein schmales Lichtband zwischen den dunklen Wolkenfetzen der abziehenden Front am Himmel und dem dunklen Wasser der Nordsee erzeugt eine seltsam melancholische Stimmung.

Wir rollen die Fock wieder aus und setzen unsere Fahrt die Weser hoch fort. Ab jetzt halten wir uns eng an den Tonnenstrich. Das Fahrwassers wird  zunehmend enger. Die Ebbe hat mittlerweile eingesetzt und die Sände östlich und westlich des Weserfahrwassers wachsen aus dem Wasser.

Wir passieren die Tegler Plate, Robbenplate und den alten Leuchtturm Hoher Weg. Es ist einiges an Fracht- und Fährverkehr unterwegs. Auch ein Krabbenkutter, eingehüllt in eine Wolke kreischender Möven kommt uns entgegen. In der Ferne sehen wir die Kräne des Jade-Weserports. Es sieht alles so nah aus, doch der direkte Weg ist meistens durch Sände und Untiefen versperrt. Das Segeln im Wattenmeer erfordert immer eine sorgfältige Navigation und genaue Planung, unter Berücksichtigung von Gezeiten, Wind, Wetter und Strömung. Für den unerfahrenen Wattensegler bedeutet das eine Menge Vorbereitung. Das habe ich auf den wenigen Seemeilen, die ich bisher hier gesegelt bin, gelernt.

 Leuchttürme Alte Weser und Roter Sand in der Wesermündung

Leuchtturm Hoher Weg

Krabbenfischer auf der Weser

Gegen 18:30 erreichen wir das Nordende des Leitdamms, der uns die restlichen 10 Meilen bis nach Bremerhaven führt. Der Leitdamm kanalsiert die Flußströmung und sorgt dafür, dass das Weserfahrwasser nicht versandet und immer genug Tiefe für die Großschiffahrt behält.

Bald passieren wir das Containerterminal und kurz danach tauchen die markanten Gebäude von Bremerhaven auf. Gegen 20:00 kreuzen wir das Fahrwasser und fahren in den Vorhafen zur Doppelschleuse in den Fischereihafen ein.

Der Schleusenwärter ist uns wohl gesonnen. Noch während wir überlegen, wo wir festmachen können, öffnet sich das mächtige Schleusentor und wir können einfahren.

Noch gut 1,5 Meilen geht es an Hafenanlagen und großen Schiffen vorbei bis wir unsere Marina erreicht haben. Es ist jede Menge Platz vorhanden und wir machen uns in einer Doppelbox breit, in die wir mit unseren fast 8 Metern Breite so gerade reinpassen.

Wir sind angekommen! Nach 1465 gesegelten Meilen, 500 Kanalkilometern mit 143 Schleusen, durch 6 Länder und 4 Meere ist Trinity am Ziel – für dieses Jahr. Die Reise hat Spuren hinterlassen, an Schiff und Mannschaft. Wir haben uns eine kleine Ruhepause verdient. Im nächsten Jahr geht’s weiter – auf zu neuen Horizonten.

Bremerhaven voraus

Nordseeerfahrungen

Von Harlingen nach Norddeich (5.-6.8.17 – 117,1 NM)

Anfang August soll es nun weitergehen mit unserem Abenteuer. Am Donnerstag Abend machen Christoph und ich uns mit dem Zug auf nach Harlingen. Die Wettervorhersage sieht jedoch überhaupt nicht gut aus. Starkwind aus Nordwest is angesagt. Wir überlegen, ob wir uns im Schutz der Inseln durch die Wattenfahrwasser mogeln könnten, doch  am Freitagmorgen weht es so heftig, dass wir uns dagegen entscheiden. Wir hoffen, dass es Samstag besser wird.

Und tatsächlich,  am nächsten Tag hat der Wind soweit nachgelassen, daß wir beschließen durch das Seegatt zwischen Vlieland und Terschelling in die Nordsee zu fahren und „außenrum“ nach Borkum. Um 9:00 geht’s durch die Tjerk-Hiddessluizen und raus, hinaus ins Wattenmeer.

Bis zum Seegatt müssen wir aufkreuzen. Das Fahrwasser ist breit, das Wasser ist glatt und wir haben Spass. Nach kurzer Zeit sind wir am Seegatt. Ab hier wird es ungemütlich. Obwohl der Wind nicht mehr so stark wie am Vortag ist, steht hier eine unangenehme kurze 2m Welle. Es wird eine ziemlich nasser Rodeoritt, aber nach einer Stunde haben wir  erfolgreich die Untiefentonne passiert und können endlich richtung Osten abfallen.

Das Wasser beruhigt sich glückerlicherweise schnell. Der gute Christoph ist bei dem Gestampfe etwas blass um die Nase geworden und beschließt, sich jetzt erstmal hinzulegen. Ich geniesse derweil die Rauschefahrt raumschots entlang der Inseln. Nach einer Stunde kommt Christoph wieder hoch. Es scheint Ihm wieder gut zu gehen.

Um 17:30 haben wir Ameland passiert und nehmen nach einer Halse Kurs auf Borkum. Um 18:30 erreichen wir die Einfahrt des Hubertgat, eines der Fahrwasser, welches aus der Nordsee in die Ems bei Borkum führen.

Vor der Einfahrt ins tiefe Fahrwasser der Ems liegt eine Zone mit Sänden. Wir sehen brechende Wellen voraus und die Wassertiefe nimmt auf 3,5 Meter ab. Laut Karte sollte es dort tief genug sein, aber es wird gleichzeitig auf häufige Änderung der Wassertiefe hingewiesen. Weiter südlich sehen wir eine Stelle, in der das Wasser ruhiger aussieht. Das Echolot und das Wellenbild im Blick tasten wir uns vorwärts. Schließlich nimmt die Wassertiefe wieder zu und die See wird ruhiger. Wir sind im tiefen Wasser des Seegats angelangt und können Kurs auf die markannte Borkumer Fischerbalje nehmen, die die Einfahrt zu unserem Hafen markiert.

Um 19:00 passieren wir die Fischerbalje und fahren Kurs Ost entlang eines Leitdamms, der das Fahrwasser von der Gezeitenströmung abschirmt. Um 19:30 machen wir in Port Henry fest, nach gut 12 Std und 95,4 gesegelten Meilen.

Der Wind hat ordentlich zugenommen und wir beschließen, nach einer kurzen Hafenbesichtigung, einen günstigeren  Liegeplatz aufzusuchen. Das Ablegen klappt prima, obwohl uns der Wind gegen den Steg drückt. Beim eiligen Einholen der Achterleine passiert es dann. Die Leine gerät in den Propeller und würgt den Motor ab. Antrieblos treiben wir durch den Hafen auf die Steine der östlichen Mole zu. Im letzten Moment schafft es Christoph in Wildwestmanier eine Leine über die Klampe des letzten Stegs, an dem wir vorbeitreiben zu werfen. 4 Meter vor der Kollision mit den Steinen können wir die Drift beenden. Glück gehabt! Mühsam verholen wir das Boot an den Steg. Weder der Festmacher noch Motor oder Propeller haben Schaden genommen.

Leider ist es jetzt nach 21:00.  Die Küche im Hafenrestaurant hat geschlossen, aber man hat Mitleid mit uns. Es gibt noch eine deftige Suppe, die uns gut tut und die Stimmung wieder hebt. Das eine oder andere Bier wird auch seinen Anteil daran gehabt haben.

Am nächsten Morgen erwarten uns kräftige 5-6 Windstärken aus Nordwest. Bei diesen Bedingungen bleibt uns nur der Weg „innen“ durchs Watt. Wir wollen durch das Borkumer Wattfahrwasser und das Memmert Wattfahrwasser südlich an Juist vorbei nach Norddeich segeln. Dazu müssen wir 2 Wattenhochs passieren. Nach kurzer Beratung beim Hafenmeister heißt das, wir müssen um 9:00 los.

Um 9:15 verlassen wir den Hafen und um 9:45 haben wir die Einfahrt des Borkumer Wattfahrwassers erreicht, welche durch 3 Pricken gekennzeichnet ist.

Einfahrt Borkum Wattfahrwasser

Ab hier hangeln wir uns eng an dem gekennzeichneten Prickenweg entlang. Um 10:15 passieren wir das Wattenhoch. Der Tiefgang beträgt hier noch 1,5 Meter. Später, an der Ostspitze von Borkum, segeln wir in Steinwurfweite an einer Sandbank mit unzähligen Robben entlang. Die Fahrt durchs Watt ist eine ganz neue Erfahrung für uns.

Nach einer kurzen Querung der Osterems geht es in das Memmert Wattfahrwasser. Um 11:30 erreichen wir den nächsten Prickenweg. Um 12:00 passieren wir das zweite Wattenhoch des Tages bei komfortablen 1,8 m Wassertiefe kurz nach Hochwasser. Das hat ja gut geklappt!

An der Ostspitze von Juist vorbei geht es nun Richtung Norderney. Kurz vor der Einfahrt in den Norderneyer Hafen biegen wir ab nach Süden in das Fahrwasser Richtung Norddeich.

TriFix, noch ein Dragonfly auf dem Weg nach Norderney.

Um 13:00 machen machen wir schon  im Hafen von Norddeich fest. Nach nur 4 Stunden haben wir unser Tagesziel erreicht! Unsere erste Reise durch das Norddeutsche Wattenmeer liegt hinter uns. Ein anspruchsvolles und spannendes Revier!

Der Hafenmeister weist uns einen Platz zu, auf dem wir erstmal 3 Wochen liegen bleiben können. Nach einer Expressreinigung von Trinity geht’s zum Zug nach Hause. Der Bahnhof liegt hier absolut günstig direkt neben dem Hafen. 4 Stunden Zeit unsere Erlebnisse Revue passieren zu lassen.